Die Alte Oper Frankfurt hat eine Konzertreihe mit dem Titel 2 x Hören. Das Konzept davon ist, dass man ein Stück zunächst einmal hört, dann wir das Stück inhaltlich im Detail besprochen und danach hört man das Stück nochmals, um das gerade erworbene Wissen anwenden zu können. Diese Reihe findet im Mozartsaal der Alten Oper statt, der rund 700 Personen fasst und der Saal war fast voll, soweit ich das beurteilen konnte. Das Konzept scheint also sehr gut anzukommen.
Dieses Mal ging es um die 5. Cellosuite von Johann Sebastian Bach; das ist eine von sechs Cellosuiten, die Bach geschrieben hat. Das besondere daran ist – wie wir gelernt haben – dass die Suiten alle ohne Basso continuo auskommen, was für die damalige Zeit etwas Besonderes war. Wobei auch nicht geklärt ist, wann die Cellosuiten tatsächlich entstanden sind, da es kein Original-Autograph von Bach gibt, sondern nur Abschriften. Die Vermutung unserer Vortragenden ist, dass die Suiten zur Köthener Zeit entstanden sind, d.h. 1717-1723, da Bach dort keine kirchlichen Verpflichtungen hatte.
Zunächst einmal präsentierte Dr. Markus Fein, der Intendant der Alten Oper, den Künstler des heutigen abends: Jean-Guihen Queyras. Ich kannte ihn zwar nicht, aber er ist offenbar ein sehr bekannter Cellist und ausgesprochener Kenner Bachs Cellosuiten. Und so war die Aufführung natürlich hervorragend!
Danach kam wieder Markus Fein dazu, und zusammen mit Jean-Guihen Queyras wurde die Suite Stück für Stück analysiert. Sie besteht aus einem Prélude und fünf barocken Tänzen – so wie auch die anderen Cellosuiten. Das Prélude wurde dann ausschnittsweise gespielt und auch analysiert, weshalb es gerade so gespielt wird und welche anderen Möglichkeiten es gäbe, es zu spielen – da es ja vom Komponisten keine Anweisung gibt, wie es zu spielen ist (wie auch nicht für die anderen Teile). So wurde Jean-Guihen Queyras gebeten, das Stück einmal zu spielen, als ob es von Brahms wäre, oder wie es eben von einem Anfänger klingen würde.
Zur Courante kam der erste Überraschungsgast: Sergey Malov. Er hatte auch ein spezielles Instrument dabei – ein kleines Cello mit fünf Seiten, das mit einem Gurt auf der Brust gehalten und gespielt wurde. Es handelte sich dabei um ein Originalinstrument von damals, da es das Violoncello von heute noch nicht gab. Markus Fein hat die beiden Musiker dann spontan gebeten, den Tanz im Duett zu spielen und man hat sich dann dabei abgewechselt und ansonsten immer eine Hintergrundstimme gespielt.
Zur Sarabande gab es dann den nächsten Überraschungsgast: Isabel von Bernstorff. Sie ist Pianistin und Professorin an der Musikhochschule Frankfurt. Zunächst einmal wurd dann gezeigt, wie der Basso continuo am Klavier zum Cello klingen würde. Dann spielten sie eine Fassung der Cellosuite für Klavier und Cello von Robert Schumann und danach noch eine nur für Klavier von einem zeitgenössischen Komponisten. Außerdem hatte sich Jean-Guihen Queyras eine spezielle Bassstimme am Klavier gewünscht, die Isabel von Bernstorff dazu zu seinem Cellospiel dazu spielte. Es war wirklich eine ausgelassene Stimmung auf der Bühne!
Und zur Gavotte kam dann noch der (die) dritte und letzte Überraschungsgast, Madeline Ferricks-Rosevear. Sie ist Tänzerin und Choreographin, hat unter anderem mit William Forsythe zusammen gearbeitet und tanzt auch an der Oper Frankfurt. Es war toll zu sehen, wie zu dem Tanz wirklich jemand tanzte! Aber weil das natürlich nicht gereicht hat, hat sie dann noch eine moderne Fassung der Gavotte getanzt – wieder zu den Klängen von Jean-Guihen Queyras.
Nach diesen ganzen Ausführungen, Erklärungen und Vorspielen, die gut eine Stunde gedauert haben, kam dann der nächste Teil des Konzertes, nämlich das zweite Mal Hören, des kompletten Stückes. Mit dem ganzen Hintergrund, den man nun hatte, hat man natürlich noch aufmerksamer zugehört und versucht das mit dem zu verbinden, was man davor gehört hatte. Letztendlich müsste man das noch mehrmals hören, um es wirklich zu verinnerlichen. Aber trotzdem ist es schon eine tolle Erfahrung, das Stück zweimal so hochkarätig vorgespielt und dazu so intensiv erklärt zu bekommen!
Ich bin jetzt schon sehr gespannt auf die nächste Veranstaltung dieser Reihe!
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