Bei den Musikfestspielen Dresden gab es ein Konzert, bei dem unter andere auch Sibelius gespielt wurde. Anschließend hatte ich eine Diskussion (genau genommen habe ich nur zugehört), ob wir nun Sibelius gehört haben, oder nicht.
Aber von vorne: im Kulturpalast spielten der Geiger Daniel Lozakovich zusammen mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Manfred Honeck.
Zunächst begann das Konzert (noch ohne Solovioline) mit dem kurzen Stück Camelopardalis der schwedischen Komponistin Andrea Tarrodi aus dem Jahr 2011. Tatsächlich mussten wir aber warten: es handelte sich um ein Matineekonzert und es waren viele Eltern mit kleinen Kindern und Babies anwesend. Und gerade als es still wurde, begann ein Baby zu weinen. Und die Reaktion von Manfred Honeck und dem Orchester war wunderbar: er wartete, bis sich das Baby beruhigt hatte – wofür er auch einen kleinen Applaus des Publikums erhielt.
Und dann hörten wir dieses wundervolle Stück, dass die Komponistin für das Cape Philharmonic Orchestra aus Kapstadt komponiert hatte. Und genau dieser Geist südafrikanischer Natur schwebt in dem Stück und offenbart sich den Zuhörern.
Dann ging es weiter mit dem Violinkonzert in d-Moll von Jean Sibelius. Ich kannte das Werk noch nicht und fand es sehr ergreifend sowie ausgesprochen virtuos gespielt von Daniel Lozakovich, der für mich erkennbar in der Stimmung des Konzertes verhaftet war.
Mein Sitznachbar, der das Werk anscheinend in- und auswendig kannte und schon in vielen Interpretationen gehört hatte, urteilte aber, dass in der gerade gehörten Fassung kein Sibelius drin steckte. Das Orchester könne den Klang einfach nicht erzeugen und unser Solist sei zwar ganz süß aber hätte aus dem Stück nicht die Tiefe herausgeholt, die darin stecken würde. So ein Urteil kann ich mir gar nicht erlauben, da ich das Stück zum ersten Mal gehört habe und ich frage mich, ob es angemessen ist.
Wir wissen nicht, wie Sibelius das Stück gespielt haben wollte – immerhin war die Uraufführung ein Misserfolg, weil der Solist nicht die nötige Virtuosität hatte. Inzwischen zählt es aber zu den bedeutendsten Violinkonzerten des zwanzigsten Jahrhunderts. Es gibt unzählige Interpretationen und sicher kann man für sich selbst feststellen, dass einem bestimmte Interpretationen besser gefallen, als andere. Aber festzustellen, dass eine Aufführung von einem internationalen Spitzenorchester, einem großartigen Dirigenten und einem zwar jungen aber bereits sehr erfahrenen Geiger nicht den Geist des Komponisten widerspiegelt, scheint mir sehr frech zu sein!
Daniel Lozakovich spielte dann noch eine Zugabe, bei der ich auf Bach tippte. Es handelte sich um den ersten Satz der ersten Violinsonate in g-Moll von Johann Sebastian Bach.
Nach der Pause folgte dann die Sinfonie Nr. 8 von Antonín Dvořák. Was für ein hervorragendes Stück – ich fühlte mich sofort nach Böhmen versetzt! Auch wenn es sich nicht um Programmmusik handelt, sieht man die Landschaft geradezu vor sich, wenn man in die Musik eintaucht. Ein Meisterwerk!
Interessanterweise hatte mein Sitznachbar hier nichts auszusetzen und stellte fest, dass es sich um eine nur selten gespielte Sinfonie handelt. Tatsächlich handelt es sich neben der siebten und neunten Sinfonie um eine der meistgespielten Dvořák-Sinfonien. Ich schließe daraus, dass er dieses Stück offenbar noch nicht so intensiv gehört hatte, wie den Sibelius und daher in seinem Urteil noch nicht so gefestigt war.
Zum Abschluss gab es noch eine Zugabe des Orchesters: eine Polka des schwedischen Komponisten Hugo Alfvén – man hatte schwedisch begonnen und wollte schwedisch enden. Sehr angemessen für das Royal Stockholm Philharmonic Orchestra!
Und noch eine Geste, die für mich charakterisierend für das Gesamtkonzert war: am Ende bedankte sich der Dirigent Manfred Honeck bei den ganzen Kindern, die während des Konzertes so unglaublich leise waren und schenkte seinen Strauß Blumen an die beiden schätzungsweise vier und sechsjährigen Mädchen weiter, die neben mir in der ersten Reihe gesessen haben!
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