Seit einigen Jahren gehört das Weihnachtsoratorium für mich zum festen Programm in der Vorweihnachtszeit – dieses Jahr gleich zweimal. Zunächst mit den Thomanern in der Alten Oper Frankfurt und dann eine Woche später mit den Kruzianern in der Kreuzkirche in Dresden. Die beiden sächsischen Knabenchöre liefern sich im Sommer immer ein Fußballduell, diesmal aber kann ich sie in ihrer Kernkompetenz vergleichen. Wobei der Vergleich nicht ganz fair ist, da die Thomaner nicht in der Thomaskirche antraten.
Als Einleitung zum Weihnachtsoratorium wurde die Kantate Meine Seel erhebt den Herren gespielt. Sie mag ja inhaltlich gut auf das Weihnachtsoratorium hinleiten, aber wurde eigentlich für das Fest Mariä Heimsuchung am 2. Juli geschrieben. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn man statt dieser Einleitungskantate die 6. Kantate aus dem Weihnachtsoratorium gespielt hätte, anstatt nur 1-3. Ich kannte die Kantate nicht und letztlich hat mich auch nur der Schluss (6. und 7. Satz) richtig überzeugt. Insbesondere die Sopranistin Julia Sophie Wagner, die heute wenig zu tun hatte, fand ich mit ihrer Arie nicht brillant, genauso, wie mich Dirk Schmidt als Bass nicht überzeugen konnte.
Am Weihnachtsoratorium gab es wenig zu mäkeln. Herausragend gespielt hat das Sächsische Barockorchester, das der Thomaskantor Gotthold Schwarz 1989 (damals war er noch nicht Thomaskantor) gegründet hat. Oft finde ich die Trompeten im Eingangssatz und in der 3. Kantate zu dominant und spitz. Diesmal war das aber ausgesprochen rund und harmonisch! Auch das Solo der ersten Geige war perfekt gespielt. Einfach ausgezeichnet!
Der Chor hat sehr gut gesungen. Nicht so dicht und harmonisch wie die Windsbacher – das hat man besonders an der Zugabe (Ich steh an deiner Krippen hier) gemerkt – aber insgesamt recht ausgewogen mit Esprit und ohne fehlerhafte Einsätze. Das hatte ich anders in Erinnerung, aber ich habe die Thomaner etwa zwei Jahre nicht mehr gehört. Sehr gut hat mir gefallen, dass der Engel im Rezitativ in der 2. Kantate von einem Thomaner gesungen wurde. Als ich die Thomaner schon einmal in der Alten Oper mit dem Weihnachtsoratorium gehört habe, wurde sogar die Sopranarie von einem Thomaner gesungen. Diesmal hat das Julia Sophie Wagner gesungen.
Die Solisten waren gemischt. Der Tenor Tobias Hunger hat sehr gut gesungen, ebenso war die Altistin Susanne Krumbiegel sehr ausgewogen (wenn auch mit etwas zu sehr gerolltem „R“). Der Bass konnte mich wie gesagt nicht überzeugen.
Gotthold Schwarz war während des gesamten Konzerts sichtlich bewegt. Sein Dirigat ist sehr lebendig und auch schneller, als das von Herrn Kreile.
Das größte Manko ist meines Erachtens, dass die Alte Oper nicht den Kirchenklang bietet. Sie ist als Konzertsaal klanglich eher trocken – weder warm noch brillant – und vermittelt einfach nicht das weihnachtliche Gefühl, wie das eine Kirche per se erfüllt. Eventuell hätte hier ein bisschen weihnachtliche Dekoration auf der Bühne nicht geschadet.
Insgesamt ein sehr gutes Konzert, aber ob die Thomaner damit die Herausforderer kommende Woche schlagen können, ist fraglich.
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