Corona zwingt uns zum Umdenken und dabei entstehen auch neue Formen des Theaters. Gängig ist inzwischen ja, dass Theateraufführungen gestreamt werden. Aber das ist letztlich auch nichts anderes, als die alten Aufführungen des Ohnsorg-Theaters im Fernsehen. Es spricht nichts dagegen, aber es ist keine neue Theaterform.
Mit Customerzombification 1 hat das Theater Vorpommern etwas Neues ins Leben gerufen. Ein Stück, bei dem die Zuschauer „teilnehmen“ und den Fortgang des Stückes mitbestimmen. Man musste sich dazu eine App herunterladen (TotoGo) und kurz vor Stückbeginn einen QR-Code scannen, der einen in virtuelle Lobby führte, die zum Stück gehörte. Während des Stückes bekam man dann immer wieder die Aufforderung in der App eine Auswahl zu treffen, die über den Fortgang des Stückes entscheiden sollte.
Das Stück spielte im Jahr 2030 und wir alle werden durch ein Scoring-System ständig vermessen. Das wurde durch 3 Werte ausgedrückt, die wir zu Stückbeginn erfahren haben. Dabei kann ich mich nur noch an Neurotizismus erinnern – mein höchster Wert. Die Schwester der Hauptdarstellerin (und einzigen Darstellerin) ist verschwunden und wir sollten ihr alle helfen, sie wiederzufinden.
Dabei gab es wie erwähnt im Stück immer wieder Entscheidungen zu treffen. Falsche Entscheidungen führten dazu, dass die Darstellerin eines ihrer sieben Wearables verlor. Richtige Entscheidungen führten zu Upgrades. So wurde es uns jedenfalls anfänglich gesagt. Im Lauf des Stückes hatte es keine Auswirkungen und einmal waren plötzlich alle Wearables fort. Leider gab es auch nie Hinweise darauf, welches die richtigen Entscheidungen sein könnten. Und so frage ich mich, wie stark wir Zuschauer tatsächlich das Stück beeinflusst haben. Wäre wirklich ein anderes Ende herausgekommen, wenn wir anders abgestimmt hätten?
Ich kann es mir vorstellen. Aber dennoch hatte das Stück verschiedene Probleme. Das fängt damit an, dass mir nicht ersichtlich ist, weshalb eine Gruppe von Zuschauern in der Lage sein sollte, der Hauptdarstellerin bei der Suche ihrer Schwester zu helfen? Zwischendrin wurden wir immer wieder gefragt, ob sie unsere Daten des Scoring-Systems löschen soll. Auch da hat sich der Zusammenhang nicht erschlossen. Insgesamt wirkte das Stück etwas aufgesetzt und der Zusammenhang mit der Zuschauerbeteiligung diffus.
Unabhängig von diesen Schwächen finde ich aber die Idee sehr gut, dass ich als Zuschauer in ein Stück einbezogen werde und Einfluss auf den Stückverlauf nehmen kann dennoch sehr gut. Natürlich gibt es auch Improvisationstheater, aber das ist wieder etwas anderes. Hier gibt es ja einen definierten Verlauf des Stückes. Am ehesten ist das Ganze vielleicht mit einem Computerspiel vergleichbar, bei dem die Spielfiguren auf die Aktionen des Spielers reagieren. Ich würde mir so etwas auf jeden Fall wieder ansehen bzw. dabei mitmachen!
Ein Wort noch zur App: sie ließ sich sehr einfach bedienen, allerdings war der Rückkanal zur Darstellerin unglaublich langsam. Insbesondere die Chatfunktion lief mit einer Verzögerung von bis zu einer halben Minute oder Minute. Mir ist nicht ersichtlich, weshalb das so war. Das hat den Spielfluss doch deutlich gestört.
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