Die Oper Frankfurt zeigt die Oper Guercœur von Albéric Magnard aus dem Jahr 1914. Schon die Umstände wie diese Oper überlebt hat sind ungewöhnlich: zu Beginn des ersten Weltkrieges war er allein auf dem Anwesen – seine Familie hatte er zu einem sicheren Ort geschickt. Deutsche Soldaten betraten das Anwesen, woraufhin er einen der Soldaten erschoss. Die setzten dann das Haus in Brand und Magnard kam darin ums Leben. Ebenso verbrannten zwei der drei Akte von Guercœur. Ein Freund, der bereits den ersten Akt aufgeführt hatte, rekonstruierte aus dem Gedächtnis die verlorenen Akte und brachte die Oper dann 1931 in der Pariser Oper zur Aufführung. Danach wurde die Oper aber bis 2019 nicht mehr szenisch aufgeführt – was ausgesprochen schade ist!
Albéric Magnard hat nur ein sehr kleines Œuvre hinterlassen – darunter drei Opern. Er war der Sohn des Herausgebers des Le Figaro und damit finanziell unabhängig. Insofern konnte er sich ganz dem Komponieren widmen, hatte aber nicht den Druck zu veröffentlichen, so dass er eben nur wenige Werke geschaffen hat – noch dazu ist er ja bereits mit 49 Jahren ums Leben gekommen. Musikalisch ist das der Spätromantik zuzuordnen.
Guercœur ist der Protagonist der Oper. Er ist früh gestorben und sehnt sich zu seiner großen Liebe Giselle und seinem Volk zurück, das er von der Tyrannei befreit und dem er die Demokratie gebracht hat. Er überzeugt die vier Göttinnen, ihn wieder zurückzuschicken: es sind die Göttin der Wahrheit, der Schönheit, der Güte und des Leids. Letztere macht sich dafür starkt, dass er noch einmal auf die Welt kommen soll, weil er zu seinen Lebzeiten nichts von ihr erfahren hat.
Das soll sich bei seinem zweiten Besuch ändern. Inzwischen sind zwei Jahre vergangen und seine Giselle, die ihm noch auf dem Totenbett ewige Treue geschworen hatte, ist inzwischen mit Guercœurs Schüler Heurtal zusammen. Er trifft sie im zweiten Akt – nachdem die Zuschauer bereits erfahren haben, dass Heurtal zwar die Aufgaben, aber nicht die Ideale von Guercœur übernommen hat. Giselle erklärt Guercœur ihre Situation und bittet ihn ihr zu verzeihen und den Segen zu ihrer neuen Verbindung zu geben. Guercœur ist resigniert, gibt ihr aber den Segen, da er ja noch das Volk hat, dem er die Freiheit geschenkt hat.
Allerdings muss er dann im dritten Akt erleben, wie das Volk sich wieder von der Demokratie befreit und sich dem Tyrannen Heurtal zuwendet. Guercœur kommt dabei abermals ums Leben. Wieder zurück bei den Toten ist er geläutert und will sich nicht mehr in die Geschicke der Lebenden einmischen.
Was mich am an diesem Werk am meisten beeindruckt hat, war tatsächlich der ganze Inhalt und das Libretto. Man muss sich vor Augen halten, dass es bereits 1914 komponiert und geschrieben wurde. Aber tatsächlich hat es eine so unglaubliche Brisanz, dass man denken könnte, es wurde für Heute geschrieben. Allein der Satz „das Volk ist müde und wünscht sich einen Tyrannen“ drückt für mich so sehr das aus, was wir heute erleben. Demokratie ist mühsam, das will inzwischen keiner mehr.
Die Inszenierung von David Hermann hat mir ausnehmend gut gefallen. Schon der Beginn, als der Geist Guercœurs quasi aus seinem Leichnam heraustritt, und ins Reich der Toten einkehrt. Dann die Wandlung, die ihn wieder lebendig werden lässt und später der bildliche Zusammenbruch der Demokratie, in dessen Folge Guercœur erneut stirbt. Das waren sehr starke Bilder. Ansonsten spielt das Stück zum großen Teil in einem Bungalow, der dem Kanzlerbungalow in Bonn nachempfunden ist.
Musikalisch hat gerade der erste Akt auch oratorienhafte Klänge, was besonders durch den Fernchor unterstützt wurde. Insgesamt aber sehr schön und sehr gut hörbar. Das Orchester war wieder ausgezeichnet aber und auch die Sänger sehr gut. Besonders Domen Križaj als Guercœur hat mir sehr gut gefallen!
Hier noch der Trailer zur Oper:
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