Zu jeder Oper findet man einen Eintrag in einem Opernführer und erfährt so Einiges über die Hintergründe der Oper – bevor man sie tatsächlich sieht. Das ist wichtig, damit man das Werk einerseits im geschichtlichen und musikalischen Kontext versteht und gegebenenfalls die Produktion nachvollziehen kann. Beim Ring des Nibelungen geht das, was man an Hintergrundinformation wissen kann und sollte aber weit über jedes Maß eines Opernführers hinaus.
Und so findet sich in meinem Schrank auch eine vierteilige Dokumentation von 2013 über insgesamt 6 Stunden, die den Ring ausführlich erläutert. Ich habe die Konzert-Zwangspause nun genutzt mir diese Dokumentation anzusehen. Natürlich kenne ich An Introduction to Der Ring des Nibelungen von Deryck Cooke. Ich habe auch die Wagner Biographie von Martin Gregor-Dellin gelesen. Den Ring habe ich bisher fünfmal in vier verschiedenen Fassungen gesehen, bin also kein „Ring-Profi“. Trotzdem bin ich aber an der Materie interessiert und werde mir das Werk sicher wieder ansehen!
Diese Dokumentation macht auf jeden Fall Spaß und macht Lust darauf, sich den Ring des Nibelungen in einer Oper anzusehen!
Es gibt in der Dokumentation vier Handlungsstränge, die sich chronologisch am Gesamtwerk entlang hangeln, so dass man im Lauf der Zeit auch große Teile des Ringes zu hören bekommt – natürlich nur ausschnittsweise, da der Ring aus rund 16 Stunden Musik besteht.
Der erste und ich denke wichtigste Strang ist der Einblick in die Live-Produktion des Rings an der Wiener Staatsoper mit Christian Thielemann, den Wiener Philharmonikern und den Sängern der Produktion von 2011. Hier erlebt man einmal die eigentliche Dirigentenarbeit. Wie er das Orchester und die Musiker anleitet und dafür sorgt, dass der Ring so klingt, wie er es für richtig hält – wobei er auch sagt, dass sein Dirigat auch von der Produktion und den Sängern abhängt.
Neben diesen Einblicken sieht man noch Ausschnitte aus den Inszenierungen von Patrice Chéreau von 1976 aus Bayreuth unter der Leitung von Pierre Boulez – die bis heute als Jahrhundertring gilt, von Harry Kupfer von 1988 aus Bayreuth unter der Leitung von Daniel Barenboim und La Fura del Baus von 2007 aus Valencia unter der Leitung von Zubin Metha.
Alles sehr eigene und sehr unterschiedlichen Inszenierungen die zeigen, wie unterschiedlich man den Ring des Nibelungen interpretieren und auf die Bühne bringen kann. Ich hätte jede dieser Inszenierungen gern gesehen! Wunderbar an der Dokumentation ist, wie gelungen von einer zur nächsten Inszenierung übergeblendet wird. Die Musik spielt quasi immer durch, ohne dass man den Übergang mitbekommt.
Und das ebenfalls zum zweiten wichtigen Handlungsstrang der Dokumentation, der Erläuterungen von Stefan Mickisch am Flügel. Oft geht die Musik vom Orchester nahtlos in die Interpretation von Stefan Mickisch über und wechselt auch wieder zurück. Das ist wirklich beeindruckend!
Ebenso beeindruckend sind natürlich die Erläuterungen von Stefan Mickisch, der sozusagen jede einzelne Note und ihre Wirkung erläutern kann. Und sobald man die Erläuterung gehört hat, versteht man dann auch die Musik. Nebenbei gelingt es ihm wieder Abstecher in andere Werke von anderen Komponisten oder Wagner selbst zu machen und so Querbezüge herzustellen, die ich sonst nicht erkannt hätte.
Mit diesen beiden Handlungsträngen wäre ich zufrieden gewesen. Darüber hinaus gibt es noch ein Interview von Elke Heidenreich mit Christian Thielemann, in der sie auch immer kurz die Handlung der Oper erläutert. Das Interview ist ganz nett, bringt mich aber nicht wirklich voran wenn es darum geht, das Werk zu verstehen. Außerdem hatte ich gelegentlich das Gefühl, dass sich Frau Heidenreich in dem Interview vordrängeln musste, statt dem Experten das Wort zu überlassen.
Im letzten Handlungsstrang kommen dann mehrere Experten (Politologe, Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Musikwissenschaftler) zu Wort, die das Werk und die Rezeption etc. beleuchten und über Wagner und die Entstehung des Werks reden. Das ist manchmal ganz interessant, aber oft habe ich mich auch gefragt, was mir diese Menschen denn jetzt erzählen wollen.
Wie gesagt sind diese Handlungsstränge ineinander verwoben und entwickeln sich entlang der Ring-Handlung weiter. Das ist eine wunderbare Art und Weise den Ring zu erläutern. Insgesamt ist diese Dokumention herausragend und für jeden Ring-Fan und solche die es werden wollen, nur zu empfehlen!
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[…] – als Folge der 2013 erschienenen Sendung (und Bluray) The World of the Ring, die ich bereits besprochen habe. Der Regisseur Eric Schulz und Stefan Mickisch haben sich während der Dreharbeiten […]