In der Frankfurter Oper gibt es eine Doppeloper zu erleben, deren Gemeinsamkeit darin besteht von russischen Komponisten erschaffen worden zu sein: einerseits Oedipus Rex von Igor Strawinsky und andererseits Iolanta von Peter Tschaikowski. Das ist es das aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten, denn beide Opern sind sehr unterschiedlich.
Oedipus Rex ist die Geschichte des Königssohns und Vatermörders Oedipus. Er kennt seine Vergangenheit nicht: seine Eltern erhielten die Weissagung, dass ihr Sohn den Vater erschlagen und die Mutter heiraten würde. Also haben sie dem Kind vorsorglich die Füße durchstechen und aussetzen lassen, damit es starb. Der Bote aber hatte Mitleid mit dem Kind und so wuchs es ungeahnt seiner Herkunft auf. Aus Gründen begab es sich, dass er seinen (ihm unbekannten) leiblichen Vater erschlug. Und als er Theben von der Sphinx befreite, gab man ihm Iokaste (seine Mutter) zur Frau und machte ihn zum Herrscher über Theben.
Die Handlung der Oper setzt danach an, als Theben von der Pest heimgesucht wird und Oedipus die Stadt davon befreien will. Das Orakel verkündet, dass dazu der Mörder es ehemaligen Königs von Theben gefunden werden muss (also Oedipus selbst).
Das Bühnenbild ist als Gerichtssaal aufgebaut und Oedipus tritt zunächst quasi als Richter auf, der gewillt ist, den Mord aufzuklären, um die Seuche abzuwenden. Nur widerwillig berichtet der Seher Teiresias, dass Oedipus selbst der Mörder ist, aber dann gesteht Ioakaste, dass man das Kind ausgesetzt hatte. Und so wird Oedipus vom Richter zum Gerichteten. Eine sehr kluge Wahl des Bühnenbilds also.
Nachdem Iokaste bewusst wurde, was geschehen war, trat sie ab und erhängte sich; Oedipus aber stach sich die Augen aus und verließ Theben. Ioakastes Tod passiert zwar hinter der Bühne, aber gegen Ende dreht die Bühne einmal und zeigt uns das Ausmaß der Tragödie – eben die erhängte Iokaste und ihren Sohn Oedipus. Ein Bild, das Gänsehaut verursacht.
Die Geschichte selbst wird neben der Musik von einem Jungen im Rahmen von Videoeinspielungen vorgelesen. Mir hat das sehr gut gefallen – insbesondere auch die flüsternde Lesart des Jungen. Das ging unter die Haut.
Musikalisch ist das Ganze kein easy listening. Aber es passt einfach zur Handlung und ist eine beeindruckende Oper der neuen Musik. Interessant ist zudem, dass das Stück auf Latein gesungen wird, aber auch das passt ja zum Sujet. Ein sehr sehens- und hörenswertes Werk, dass in Frankfurt ausgezeichnet inszeniert wurde!
Nach der Pause ging es romantisch weiter. Die blinde Königstochter Iolanta weiß nichts von ihrem Schicksal, da man sie im Glauben lässt, alle Menschen seien blind und der einzige Zweck der Augen sei, zu weinen. Mit dem Tode soll bestraft werden, wer sich unberechtigt Zutritt zum Zaubergarten besorgt, in dem Ioalante lebt. Doch der Arzt stellt fest, dass es nur eine Möglichkeit gibt, dass Iolanta das Augenlicht erhält: sie muss sich danach sehnen sehen zu können.
Unbekümmert betreten zwei Ritter den Garten: Herzog Robert und sein Waffengefährte Graf Vaudémont. Iolanta ist eigentlich Herzog Robert versprochen, der liebt aber eine andere und ist nicht glücklich darüber, dass er nun Iolanta heiraten soll (die er bis dahin nicht kennt). Als Graf Vaudémont Iolanta aber findet, ist der ganz verzückt und verliebt sich unsterblich in sie. Er ist ganz verstört als er herausfindet, dass Iolanta blind ist und sie nicht einmal weiß, was ihr fehlt.
Die beiden Eindringlinge werden entdeckt und Graf Vaudémont droht der Tod. Der König will aber davon absehen, wenn Iolanta das Sehen erlernt, da sie nun weiß, dass Augen noch einen weiteren Zweck haben. Natürlich findet sie das Augenlich, Herzog Robert ist auch bereit zurückzutreten und so kann Graf Vaudémont Iolanta heiraten.
Ich habe diese Doppeloper zum zweiten Mal gesehen. Und schon beim ersten Mal war es so, dass beim Öffnen des Vorhangs spontan Applaus für das Bühnenbild ertönte. Und genauso ist es wieder geschehen. Das Maß an pink – insbesondere im Unterschied zum Grau des Oedipus – ist überwältigend.
Musikalisch ist das Romantik pur und so passt das auch hier wunderbar zum Sujet.
Was etwas irritiert hatte war das aus meiner Sicht aufgesetzte Motiv des Kindesmissbrauchs durch den Vater, der durch Videoeinspielungen suggeriert wurde. Die Idee ist also, dass die Tochter aufgrund des Missbrauchs nicht sehen kann und erst davon befreit werden muss. Man kann so etwas sicherlich hineininterpretieren, aber von der Anlage her sehe ich das nicht – weder im Libretto, noch musikalisch. Insofern erschien diese Interpretation eher willkürlich.
Ich vermute, dass hier über die Interpretation des Kindesmissbrauchs in beiden Werken ein Zusammenhang geschaffen werden sollte. Für mich funktionierte das nicht.
Unabhängig davon aber sind die beiden Werke brillant umgesetzt und ein Erlebnis – zu sehen und zu hören!
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