Im Ambassador Theater in London wird zur Zeit das Stück Cock aufgeführt, zu Deutsch Schwanz – ja auch Hahn, aber darum ging es in dem Stück nicht. Es geht um einen – offenbar bisexuellen Mann – der sieben Jahre in einer schwulen Beziehung lebt und dann eine Frau trifft die er auch liebt und mit der er auch Sex hat. Beide Partner fordern von ihm eine Entscheidung. Das Stück kulminiert in der Auseinandersetzung bei einem gemeinsamen Sonntagsessen.
Meine Beweggründe das Stück zu sehen waren eher simpel: die Rolle des „M“ (der schwule Partner) wird von Taron Egerton gespielt. Leider nicht, als ich das Stück gesehen habe, da er an Covid erkrankt war. Der Ersatzschauspieler war zwar nicht schlecht, allerdings wäre ich für ihn sicher nicht extra nach London gefahren.
Bleiben wir beim Stück. Jemand beendet nach sieben Jahre eine Beziehung. Das kommt vor. Er ist scheinbar schwul, trifft dann aber eine Frau und beginnt mit ihr eine Beziehung. Offenbar war er nicht so schwul, wie er dachte. Er ist verwirrt und kehrt zu seinem ehemaligen Geliebten zurück. So ganz abgeschlossen hatte er offenbar nicht. Er beginnt auch mit ihm wieder eine Beziehung. Für die Partner, die im Stück nur M und F heißen (nur der Protagonist hat einen Namen – John), ist die Situation unbefriedigend. Sie verlangen von John eine Entscheidung. Ein Gespräch zwischen allen Dreien soll die Klärung herbeiführen. Beide Seiten kämpfen um John. Der kann und will sich aber nicht entscheiden. Das Stück endet mit seinem Dilemma.
Während ich anfänglich noch mitgegangen bin und versucht habe das Dilemma des Protagonisten nachzuempfinden, ließ dies im letzten Drittel stark nach. Ja, es gibt Bisexuelle Menschen, die das erst sehr spät (die meisten nie) feststellen. Die Chance, dass dies einem Schwulen passiert ist eigener Erfahrung nach aber außerordentlich gering, da man – sicher auch heute noch – in eine heterosexuelle Welt „hineingeboren“ wird und erst ebendiese Erfahrungen versucht zu machen und wenn dies nicht klappt, wendet man sich dem gleichen Geschlecht zu. Das war für mich also bereits sehr unglaubwürdig.
Dann stellt der Protagonist fest, dass er zwei Menschen liebt. Warum auch nicht? Jeder von uns liebt viele Menschen: zunächst einmal liebt jedes Kind per se beide Eltern (es liegt an den Eltern, wenn dies nicht der Fall ist und bedeutet, dass das Kind sich die Liebe versagen muss). Erst wenn es um eine „Beziehung“ geht, müssen wir uns plötzlich für einen Menschen entscheiden. Ein Mensch muss also alle für uns relevanten Eigenschaften vereinen, die es uns ermöglichen, nur genau einen Menschen zu lieben. Das ist in der Regel aber nicht der Fall. Also ist Monogamie immer ein Kompromiss. Problematisch wird das aber erst, wenn es um Sex geht. Da man Sex aber – gemäß unserer gesellschaftlichen Norm – nur in einer Beziehung haben darf, muss der Partner noch viele weitere Eigenschaften mitbringen, der Kompromiss ist also noch größer.
John scheitert an der gesellschaftlichen Norm. Leider reflektiert das Stück aber nicht darüber, was gesellschaftliche Norm ist und was Johns Dilemma ist. Darüberhinaus hat die Figur des Protagonisten wenig Tiefgang. Und so langweilte mich sein Dilemma letztendlich und es war mir schließlich egal ob oder wie er sich entscheiden würde und ich fand die Diskussion darum auf der Bühne am Ende ziemlich dröge.
Die Bühne ist sehr minimalistisch. Sie besteht aus einem Raum mit Metallplatten. Unterschiedliche Neonröhren, die in verschiedenen Farben leuchteten verwandelten die Stimmung der Bühne, die die Stimmung der Charaktere wiedergeben sollte. Zwischen den Szenen gab es choreografierte Tanzeinlagen. Das wirkte alles in allem sehr stylisch und passte gut zum Stück.
Die Darsteller waren durchweg sehr gut. Offenbar habe ich alle schon auf der Kinoleinwand gesehen, wenn auch eher in Nebenrollen.
Am Ende würde ich das Stück kein zweites Mal sehen wollen.
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