Grigory Sokolov gilt als einer der bedeutendsten Pianisten unserer Zeit. Für mich war es das erste mal, dass ich ihn live in der Alten Oper in Frankfurt erleben konnte. Wie mir meine Sitznachbarn, die Sokolov schon öfter gesehen habe berichteten, war es aber ein typisches Konzert von ihm.
Es bestand zunächst einmal aus zwei Teilen: in der ersten Hälfte war Henry Purcell zu hören, in der zweiten Hälfte Wolfgang Amadeus Mozart. Was es zu hören gab, war stand erst kurz vor dem Konzert fest. Das ist bei Sokolov offenbar so üblich. Man erwirbt eine Konzertkarte und Sokolov überlegt sich, womit er sich beschäftigen möchte.
Und genau diesen Eindruck vermittelte das Konzert Sokolov hat sich intensiv mit Klavierstücken von Purcell und zwei Werken von Mozart beschäftigt und das spielte er dann. Wobei er die Werke für sich zu spielen schien um weiter zu eruieren, was für ihn noch darin steckt. Dass es da ein Publikum gab, war irrelevant. Das Publikum war unbeteiligter Dritter der einem Meister dabei zusehen konnte, wie er sich mit verschiedenen Werken auseinander setzt.
Und so verlief das Konzert völlig gleichförmig. Sokolov kam, verbeugte sich kurz – offenbar war ihm doch bewusst, dass er gerade auf der Bühne eines Konzertsaals stand – setzte sich und fing an zu spielen. Danach verbeugte er sich, ging, das Publikum applaudierte frenetisch, er kam noch einmal, verbeugte sich und ging wieder. Es war eine sehr merkwürdige Erfahrung als Publikum zum reinen Zuschauer abgegrenzt zu werden, der hier nur eine beobachtende Rolle einnimmt – obwohl es natürlich streng genommen bei fast allen Konzerten so ist. Allerdings haben die Konzerte normalerweise das Ziel, das Publikum mitzunehmen und zu begeistern, bei diesem Konzert spielte das keine Rolle. Das Publikum war dennoch begeistert.
Auch war ich erst überrascht, dass das Konzert laut Programm zwei Stunden dauern sollte, die Musikstücke sich aber nur auf 1 Stunde und 2 Minuten aufsummierten. Aber wie mir meine Sokolov-erfahrenen Sitznachbarn mitteilten, bestehen seine Konzerte immer aus drei Teilen: die beiden offiziellen Teile und den sechs Zugaben. Und so war es auch diesmal. So dass das Konzert insgesamt sogar fast zweieinhalb Stunden dauerte.
Der erste Teil bestand aus Klavier- oder besser Cembalo-Werke von Henry Purcell. Das ist ungewöhnlich, da Purcell weitaus mehr Bühnenwerke geschrieben hat, die auch viel berühmter sind. Einige der Stücke dauerten auch nur eine Minute. Aber auch diese Minuten waren hörenswert! Eines dieser kurzen Stücke war Round O, das mir aus dem Film Moonrise Kingdom in der Bearbeitung von Benjamin Britten bekannt war. Für mich auch das Highlight der ersten Hälfte des Konzertes:
Noch besser hätte es mir sicherlich gefallen, wenn diese Werke auf einem Cembalo erklungen wären. An vielen Stellen hört man, dass sie nach einem Cembalo rufen! Erstaunlich war auch, dass Sokolov zwischen den einzelnen Stücken quasi keine Pause machte und man sehr aufpassen musste, wo im Programm man sich gerade befand. Das geht aber wieder mit der Feststellung einher, dass er sich hier eben mit den Werken beschäftigt und das Publikum nur zusieht. Es führte allerdings auch dazu, dass die schrecklichen Zwischenapplause unterblieben.
Die zweite Hälfte waren dann die Klaviersonate Nr. 13 von Mozart sowie das Adagio in h-Moll. Leider muss ich für mich feststellen, dass ich Mozart meistens langweilig finde uns so ging es mir auch diesmal wieder. Zum Glück bin ich dabei nicht der Einzige, wie ich hören durfte. Vielleicht öffnet sich mir der Schlüssel zu Mozart irgendwann noch.
Nach dem offiziellen Teil gab es dann eben noch die sechs Zugaben, die es in sich hatten. Hier konnte man die einzigartige Virtuosität von Grigory Sokolov erleben. Ich selbst hätte die Stücke nicht zuordnen können, aber zum Glück gibt es erfahrenere Zuhörer als mich. Es waren zweimal Stücke von Rameau, zweimal von Chopin, einmal Rachmaninow und dann noch Bach in einer Bearbeitung. Besonders der Rachmaninow war herausragend. Und so gab es am Ende des Konzerts Standing Ovations für einen Künstler der den Eindruck vermittelt, dass er das Publikum nicht braucht.
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