Im Dresdner Kulturpalast wurden anlässlich der Deutschen Einheit die Thementage 30 Jahre Deutsche Einheit in drei Konzerten aufgeführt. Um die Deutsche Einheit ging es in den drei Konzerten allerdings nicht. Viel mehr wurden Werke von Komponisten aufgeführt, die (teilweise) im letzten Jahrhundert für Deutschland bedeutsam waren. Für das erste Konzert konnte ich leider keine Karte bekommen, aber für die beiden Konzerte am 3. Oktober, die inhaltlich dichter zusammen standen.
Das erste Konzert am 3. Oktober stand unter dem Motto Lichtspielmusik – Musik und Film. Das traf zumindest für den ersten und den vierten Teil des Konzertes zu.
Zunächst wurde eine Neufassung des Films „Schattensucher“ gezeigt und die Musik dazu live von der Dresder Philharmonie gespielt. Während der ursprüngliche Film von 1994 93 Minuten dauert, dauerte die Neufassung nur 35 Minuten. Man begleitet einerseits einen Jungen durch Dresden (genauer durch Loschwitz und Baselitz – das sind die beiden Stadtteile von Dresden, die vom Blauen Wunder verbunden werden); dieser Teil ist in schwarz/weiß gedreht und berichtet über die DDR-Vergangenheit. Andererseits kommen Dresdner zu Wort, die von verschiedenen Geschäften und Lokalen berichten, die sich auch über die Wende erhalten haben – wenn ich richtig aufgepasst habe aber keines über 1994 hinaus.
Regisseur des Films ist Wolfang H. Scholz, die Musik stammt von Rainer Promnitz. Tatsächlich bin ich nur wenige Stunden vor dem Konzert selbst den Weg gelaufen, den der Junge im Film nimmt (zumindest teilweise). Es war toll für mich einerseits den Blick auf die Zeit 1994 kurz nach der Wende und andererseits durch die Erzählungen auch den Blick auf die Zeit vor der Wende zu erhalten. Und toll war es auch wieder Livemusik zum Film zu erleben! Rainer Promnitz stand als Cellist selbst auf der Bühne.
Danach ging es weiter mit Szene für Kammerensenble von Georg Katzer von 1975 – einem Musiker der DDR. Dieses Stück knüpft an die Form des instrumentalen Theaters an, die in den 60er Jahren im Westen entwickelt worden war. Damit bricht es mit der biederen Musikwelt des Sozialismus sondern kommt ganz avantgardistisch daher – auch nach heutigem Musikempfinden ist das Werk avantgardistisch.
Weiter ging es mit einem Werk von Paul Dessau In memoriam Bertolt Brecht, hier bearbeitet für Kammerensemble von Rainer Promnitz. Paul Dessau musste vor den Nazis flüchten und ins Exil gehen. Er kam nach dem Krieg in die DDR zurück, um einen sozialistischen Staat mit aufzubauen und musste sich wie viele Künstler des Sozialismus dem politischen Willen unterordnen. Dieses Werk allerdings hat mit der sozialistischen Biederkeit ebenfalls nichts zu tun. Gern hätte ich es in der vollen Orchesterfassung gehört.
Zuletzt gab es wieder live gespielte Musik zu einem Film zu erleben. Bei dem Film handelte es sich um Regen von Joris Ivens von 1928 – ursprünglich ein Stummfilm, 1932 folgte die Tonfilmfassung. Die Musik von Hanns Eisler stammte von 1941, lange bekannt unter dem Titel Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben; erst Anfang der 2000er Jahre hat man herausgefunden, dass das Werk unter die Tonfilmfassung gelegt werden muss. Hanns Eisler widmete das Werk seinem früheren Lehrer Arnold Schönberg.
Hanns Eisler ist eine spannende Person. Gebürtiger Leipziger aber österreichischer Staatsbürger, Kommunist jüdischer Abstammung, Freund von Bertolt Brecht musste er nach der Machtergreifung auswandern und landete schließlich ebenfalls in den USA. Er arbeitete mit Theodor Adorno zusammen, schrieb Filmmusiken und war 1944 und 1945 Oscar-nominiert. 1947 wurde er als Kommunist ausgewiesen. Er blieb Österreicher, lebte dann aber in der Nähe von Brecht in Ostberlin. Er schrieb die Nationalhymne der DDR, hatte aber auch mit der DDR-Führung regelmäßig Streit. Kurz vor seinem Tod 1962 gründete er den Musikrat der DDR und wurde sein erster Präsident.
Auch wenn das Konzert nicht die Deutsche Einheit zum Inhalt hatte, so gab es doch einen deutliche Ost-West-Bezug. Dirigiert wurde alle Konzerte von Jonathan Stockhammer, der gerade mit zeitgenössischen Werken sehr erfahren ist. Insgesamt keine einfache Musik aber ein brillantes Konzert!
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