Das Junge Theater Bonn geht mit seinem neuesten Stück neue Wege in der Präsentation eines Theaterstücks und hat damit virtuellen Raum erobert. Dieses Stück ist neu, einzigartig, ungewöhnlich, lustig, spannend, virtuell und nah dran an dem, was Jugendliche bewegt. Kein Wunder, waren doch einige Jugendliche bei der Stückentwicklung eingebunden.
Es geht um TKKG – Gefangen in der Vergangenheit und ist erneut ein Stück im TKKG-Universum, das vom Jungen Theater selbst geschrieben wurde. Es ist nah dran an dem, was wir gerade erleben bzw. erlebt haben. Alle TKKG-Mitglieder sind im Lock-Down und können sich nur online sehen. Und trotzdem läuft ihnen ein neuer Fall über den Weg. Einem ihrer Klassenkameraden wurde virtuell Gold gestohlen, das aber auch in der wirklichen Welt einen hohen Wert hat. Und damit begeben sie sich in diese virtuelle Welt, um den Dieb zu stellen.
Die virtuelle Welt spielt in dem Spiel Minecraft – passend zum Beethoven-Jahr 1786 in Bonn, da war Beethoven gerade 15 Jahre alt. Die Umsetzung wurde von der TimeRide GmbH vorgenommen und ist wirklich exzellent!
Wie bringt man das virtuelle Geschehen nun auf eine Theaterbühne? Genau genommen gar nicht. Das Zielmedium des Stückes ist nicht die Bühne, sondern ein Live-Stream. Gespielt wird live, aber der Zuschauer erlebt das Stück online. Tatsächlich ist es aber so, dass sich die Darsteller doch live auf der Bühne befinden und das Ganze wird dann für den Stream inklusive der virtuellen Online-Welt zusammengefügt. Man sieht das auf diesem Foto:
Der Aufführungsort ist das Telekom-Forum in Bonn, in dem sonst auch alle Premieren des Jungen Theaters stattfinden. Und auch vor Ort können sich bis zu 100 Zuschauer das Entstehen jeder Folge live anschauen. Die ersten beiden Aufführungen werden exklusiv über MagentaTV der Deutschen Telekom gestreamt, danach ist jede Aufführung für jeden im Internet verfügbar. Allerdings wird das Stück nur für eine Woche aufgeführt, man muss sich also beeilen, wenn man es sehen möchte.
Ich glaube nicht, dass man das Stück danach noch abrufen kann – das würde der Idee und dem Charakter der Live-Aufführung zuwider laufen. Man darf nicht vergessen: auch wenn das Stück aus der live-Darstellung und der online-Welt zusammengesetzt wird, ist jede Aufführung doch einzigartig und damit etwas ganz Besonderes!
Unterstützt wird das Stück von Simon Böer, der den Vater von Gaby spielt, Gerrit Klein, der früher selbst Jugend-Darsteller am JTB war, jetzt aber als Producer arbeitet (auch bei dieser Produktion), und Anne-Sophie Mutter. Anne-Sophie Mutter spielt sich selbst – ihre schauspielerische Leistung wird leicht von der der Jugend-Darsteller übertroffen – und es ist großartig, dass sie dabei ist. Sie muss im Stück ein Stück von Beethoven erkennen, was auch den Bezug zum Beethoven-Jahr widerspiegelt.
Wie fühlt sich das Stück an? Die Interaktion der Jugendlichen, insbesondere im Lock Down, ist perfekt eingefangen und wiedergegeben. Die Umsetzung der Aktion in der virtuellen Minecraft-Welt ist genial getroffen. Die Story hat leider über einige Strecken hinweg wieder den erhobenen Zeigefinger. Vielleicht muss das in einem Jugendstück so sein, das auch von Schulklassen besucht wird, die dann verschiedene Themen aus dem Stück aufarbeiten. Den Sinn der Side-Story (Tim wird aufgefordert Fake-Produktbewertungen im Internet abzugeben) im Gesamtkontext der Geschichte habe ich nicht verstanden. Auch der Gastauftritt von Anne-Sophie Mutter trug zur Handlung eigentlich nicht bei – da sehe ich aber gern drüber hinweg. Insgesamt würde ich sagen, sehr gut gelungen mit einigen Schwächen, die aber sicher auch der kurzen Entwicklungszeit der Geschichte geschuldet sind.
Die Jugend-Darsteller waren bisher vor allem in Emil und die Detektive, sowie teilweise in Krabat zu sehen. Sie waren mir allesamt nicht so präsent, aber gerade das fand ich gut. Sie haben durchweg sehr gut gespielt. Besonders gut gefallen hat mir Louis Bungartz als Lewin, der ein paar Beethoven-Stücke gespielt hat und Syd Winkler als Klößchen, der einige sehr komische Momente hatte.
Mit diesem Stück ist das Junge Theater Bonn wieder einen Schritt weiter gegangen als andere Theater und beweist wieder einmal, dass es kein Zufall ist, dass es das meistbesuchte Kinder- und Jugendtheater Deutschlands ist.
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