Jan Vogler hat gerufen und wieder sind sechzehn Cellisten seinem Ruf gefolgt – eigentlich siebzehn, aber einer war leider kurzfristig an Covid erkrankt. Zum zweiten Mal fand im Rahmen der Musikfestspiele Dresden im Kulturpalast die lange Nacht des Cellos statt, bei der Cellomusik satt präsentiert wurde. Geplant waren viereinhalb Stunden Programm mit zwei Pausen; am Ende waren es fünfeinhalb Stunden.
Jan Vogler sagte eingangs, dass auch Wagner Opern oft so lange dauern, aber selten so abwechslungsreich sind. Hinsichtlich der Musikgattung ist das auch richtig, hinsichtlich der Instrumentierung aber nicht. So war es denn nach den fünfeinhalb Stunden – dabei hatte man sogar um fünf Stücke gekürzt – auch gut. Gefühlt wäre besser nach dem zweiten Abschnitt Schluss gewesen, dann hätte man noch Lust auf mehr gehabt und das wäre der bessere Abschluss gewesen; so sind während der zweiten Pause aber auch während des dritten Abschnittes immer wieder Zuschauer gegangen. Das ist schade und der cellistischen Opulenz auf der Bühne völlig unangemessen.
Immer wieder wechselten sich Stücke mit mehreren Cellisten mit Stücken für Cello solo oder zusammen mit Klavier ab. Am Klavier begleitete Julien Quentin, der sich für meinen Geschmack mehr im Hintergrund hätte halten sollen, wie es Hu Jung zusammen mit Christian Poltéra am letzten Samstag perfekt getan hatte; schließlich stand bei der Veranstaltung das Cello im Vordergrund.
Zu hören waren folgende Cellisten:
- Nicolas Altstaedt. Er brillierte mit einem Avantgarde-Werk von Henri Dutilleux für Cello solo, das seinem sehr sphärischen Auftreten nahekam; außerdem agierte er beim Schlusswerk mit allen 17 Cellisten als Dirigent.
- Santiago Cañón-Valencia war mit Figaro von Mario Casrelnuovo-Tedesco nach Rossinis Barbier von Sevilla zu hören.
- Pablo Ferrández spielte Vocalise von Sergej Rachmaninow.
- Zlatomir Fung erklang mit Werken von Reinhold Glière.
- David Geringas ließ Lieder von Richard Strauss erklingen; ein Altmeister, bei dem sich Julien Quentin auch mehr zurück hielt.
- Marie-Elisabeth Hecker spielte Après un rêve von Gabriel Fauré.
- Sheku Kanneh-Mason hatte ich zuletzt letztes Jahr zusammen mit seiner Schwester beim Rheingau Musikfestival erlebt. Hier hat er mir mit Werken von Edmund Finnis viel besser gefallen!
- Anastasia Kobekina begann mit einer Ansprache zum Krieg in der Ukraine; danach hörten wir La tristesse des ukrainischen Komponisten Mykola Lyssenko.
- Harriet Krijgh wollte ich sehr gerne hören und sie hat mich nicht enttäuscht (genau genommen hat mich keiner der Künstler enttäuscht). Zusammen mit Jan Vogler spielte sie eine Sonate von Jean-Baptiste Barrière. Ein wunderbarer Klang der Barockmusik mit den beiden Barockinstrumenten: Harriet Krijgh spielt ein Cello von Giovanni Paolo Maggini von 1620 und Jan Vogler ein Cello von Stradivari von 1707. Auch das war spannend zu erleben, wie unterschiedlich die verschiedenen Celli klingen!
- Mischa Maisky hatte mich vor ein paar Jahren zusammen mit seinen Kindern nicht begeistert. Diesmal aber war das sehr beeindruckend mit dem Danza ritual del fuego von Manuel de Falla. Kein Wunder, dass er zu den besten Cellisten der Welt zählt!
- Ivan Monighetti war mit mehreren Stücken von Mieczysław Weinberg zu erleben.
- Edgar Moreau hat mir sehr gut gefallen (nicht nur optisch)! Er war mit Csárdás von Vittorio Monti zu erleben.
- Johannes Moser spielte das wohl ungewöhnlichste Werk überhaupt auf dem Elektrocello: Somewhere There Is Something Else von Ellen Reid. Das hat mich nachhaltig begeistert!
- Daniel Müller-Schott lieferte Werke von George Crumb ab. Herausragende zeitgenössische Musik!
- Miklós Perényi erklang mit Werken von Frédéric Chopin. Auch hier klappte das Zusammenspiel mit dem Pianisten hervorragend. Vielleicht ließ er sich durch die Altmeister eher zügeln.
- Jan Vogler ist nicht nur Intendant der Dresdner Musikfestspiele. Er ist auch herausragender Cellist!
- Pieter Wispelwey spielte Maurice Ravel.
Offensichtlich ein Musikpotpourri vom Barock bis zur Avantgarde, das seinesgleichen sucht. Die Veranstaltung wurde von Arte Concert aufgenommen und soll demnächst dort in drei Abschnitten zu sehen sein. Trotz der Länge würde ich aber sofort wieder hingehen!
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